#31 Zeitgut

Im Konsum gibts Bananen: Alltagsgeschichten aus der DDR. 1946-1989

Ingrid Hantke
4.33
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Nicht nur vom Schlangestehen und von Urlaubsfreuden wird in diesem Buch erzĂ€hlt. Begebenheiten aus mehr als 40 Jahren lassen eine lebendige Zeitreise entstehen. Authentisch, amĂŒsant und leider oft auch bitter geht es durch den sozialistischen Alltag. Spannend wird es in manchen Geschichten, wenn die allgegenwĂ€rtige Staatsmacht uniformiert oder als Stasi-Mitarbeiter auftaucht. Robert Tschöp erinnert sich an eine „Staatsaktion“, bei der er und seine Kommilitonen 1968 nach einem ĂŒbermĂŒtigen Jux zum Herrentag auf einer Polizeistation landeten. Ging es fĂŒr ihn noch glimpflich ab, so wird die Schauspielerin Helga Naujoks wohl nie ein GesprĂ€ch vergessen, das ihr Leben verĂ€nderte. Von nun an vereitelte die Stasi jede ihrer grĂ¶ĂŸeren BĂŒhnen- oder Filmrollen. Wie der Staat immer mehr private Betriebe in staatliche und halbstaatliche umwandelte, beschreiben Lothar Simons Erinnerungen. Vom Inhaber eines kleinen Kolonialwarenladens, der jahrelang bis zur Aufgabe seines GeschĂ€fts schikaniert wurde, weil er nicht zur Volkskammerwahl ging, erzĂ€hlt Karin Dersch. Vier Jahrzehnte hindurch mangelte es an Wohnraum und an Dienstleistungen. Von einer regelrechten „Wohnungstauschtortur“ weiß Christel Frenzel zu erzĂ€hlen. Und wo Ersatzteile nie reichten, konnte auch der patenteste Monteur wenig ausrichten. Ein normaler „Sozialistischer Alltag im ‚Haus der Dienste‘“ mag uns heute skurril und komisch anmuten – fĂŒr die Betroffenen waren die Auswirkungen meist eine mittlere Katastrophe. Aber die Leute wurden erfinderisch. Von einer Überraschung zum Frauentag erzĂ€hlt BĂ€rbel Böhme. Der 8. MĂ€rz war keine gute Jahreszeit fĂŒr frische Blumen. Ihr Mann pflanzte im Herbst heimlich ein Herz aus Schneeglöckchen in den Garten, die dann im MĂ€rz pĂŒnktlich erblĂŒhten. Acht Jahre Alltag in der sozialistischen Schule mit Fahnenappell, kuriosen Übungen fĂŒr den Fall eines Atomkriegs und dem alljĂ€hrlichen Zwang zur 1. Mai-Demo beschreibt die Autorin Judith Finke anschaulich und humorvoll. Urlaubsreisen galten auch in der DDR vielen BĂŒrgern als Höhepunkt des Jahres, mochte die Auswahl der Ziele auch recht beschrĂ€nkt sein. „Auf ins Zeltlager“ hieß es bei den einen, bei anderen wurde FKK immer beliebter. Von den 70er Jahren an waren auch Reisen ins „sozialistische Ausland“ nicht mehr unmöglich. Eine „Feuchte RĂŒckfahrt“ erlebte Elisabeth Dörffel, als nach schönen Tagen am Plattensee auf der Heimreise nach Berlin die Frontscheibe des „Trabi“ entzwei ging. Mehr als ein Vierteljahrhundert ist seit dem Ende der DDR vergangen, aber schon können sich Kinder und Enkel der ehemaligen DDR-BĂŒrger kaum noch ein Bild von dieser Zeit machen. Ganz zu schweigen von anderen, die die DDR nur aus Medien und GeschichtsbĂŒchern kennen. Wer nachempfinden möchte, wie man im östlichen Teil Deutschlands lebte, liebte, feierte und arbeitete, der lese, was hier an Erinnerungen zusammengetragen und unterhaltsam geschildert wird.
Genres: History
320 Pages

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